Nachdem wir nun Mengen mit einer Verknüpfung kennengelernt und intensiv untersucht haben, betrachten wir im Folgenden Mengen mit zwei Verknüpfungen. Diese Strukturen kennen wir alle aus unserem täglichen Leben: Man kann z.B. mit den ganzen Zahlen \(\mathbb{Z}\) sowohl addieren als auch multiplizieren. Dies führt uns zu folgender Definition.
Sei \(R\) eine nichtleere Menge und seien zwei Verknüpfungen \(+\) und \(\cdot\) auf \(R\) mit folgenden Eigenschaften gegeben:
Dann nennen wir \((R, +, \cdot)\) einen Ring.
Betrachten wir diese Definition genauer:
Bedingung 1 betrifft ausschließlich die Verknüpfung \(+\) auf \(R\). Wir nennen diese Verknüpfung die Addition von \(R\).
Die Bedingung besagt,
Bedingung 2 bezieht sich ausschließlich auf die Verknüpfung \(\cdot\) auf \(R\). Wir nennen diese Verknüpfung die Multiplikation in \(R\).
Die Bedingung besagt,
Die Distributivgesetze aus Bedingung 3 regeln das Zusammenspiel von Addition und Multiplikation.
Das neutrale Element in \((R, +)\) bezeichnen wir mit 0, das neutrale Element in \((R, \cdot)\) mit 1. Das inverse Element zu jedem \(a \in R\) bezüglich \(+\) bezeichnen wir mit \(-a\). Statt \(b + (-a)\) schreiben wir hierfür abgekürzt auch \(b - a\). Falls das inverse Element zu einem \(a \in R\) bezüglich \(\cdot\) existiert, bezeichnen wir dieses mit \(a^{-1}\).
Wie wir sehen, beschreiben Ringe eine mathematische Struktur, die wir aus dem täglichen Leben kennen. Im folgenden Beispiel betrachten wir den Ring der ganzen Zahlen, mit dem wir bereits seit der Grundschule intuitiv rechnen.
Beispiel: Ringe
In der Regel ist nicht jedes Element bezüglich der Multiplikation invertierbar. Im Ring \((\mathbb{Z}, +, \cdot)\) sind beispielsweise nur die Elemente 1 und -1 bezüglich \(\cdot\) invertierbar. Dies führt uns zu der folgenden Definition.
Sei \((R, +, \cdot)\) ein Ring. Ein Element \(r \in R\) heißt invertierbar, wenn \(r\) in \((R, \cdot)\) invertierbar ist. Ein invertierbares Element \(r \in R\) heißt Einheit in \(R\). Die Menge aller invertierbaren Elemente in \(R\) bezeichnet man mit \(R^\times\). Ausgesprochen wird dies als "\(R\) kreuz".
Sei \((R, +, \cdot)\) ein Ring. Dann ist \((R^\times, \cdot)\) ein Gruppe. Man nennt diese die Einheitengruppe von \(R\).
Beweis:
\(1 \in R\) ist das neutrale Element der Multiplikation. Offenbar ist 1 wegen \(1 \cdot 1 = 1\) das inverse Element zu 1. Somit ist insbesondere \(1 \in R^\times\) (Existenz des neutralen Elements) und \(R^\times \not = \emptyset\).
Seien \(a, b \in R^\times\). Um zu zeigen, dass \(\cdot\) eine Verknüpfung auf \(R^\times\) ist, müssen wir zeigen, dass auch \(a \cdot b \in R^\times\) ist. Es ist \(a^{-1}, b^{-1} \in R^\times\), denn \(a^{-1}\) ist gerade das inverse Element zu \(a\) und \(b^{-1}\) das inverse Element zu \(b\). Offenbar ist \(a \cdot b \in R\) und \(a^{-1} \cdot b^{-1} \in R\), denn \(\cdot\) ist eine Verknüpfung auf \(R\). Wegen \(a \cdot b \cdot b^{-1} \cdot a^{-1} = 1 = b^{-1} \cdot a^{-1} \cdot a \cdot b\) folgt damit \(a \cdot b \in R^\times\). Somit ist \(\cdot\) eine Verknüpfung auf \(R^\times\).
In \((R^\times, \cdot)\) gilt das Assoziativgesetz, denn dieses gilt bereits im Ring \((R, +, \cdot)\).
Für \(a \in R^\times\) ist auch \(a^{-1} \in R^\times\), denn \(a \cdot a^{-1} = a^{-1} \cdot a = 1\).
Somit folgt insgesamt, dass \((R^\times, \cdot)\) eine Gruppe ist. \(\square\)
Ein Ring \((R, +, \cdot)\) heißt kommutativ, wenn \((R, \cdot)\) kommutativ ist.
Nach der Definition eines Rings muss \((R, +)\) eine abelsche Gruppe sein. Die Kommutativität ist für die Addition somit stets gegeben. Man spricht nun von einem kommutativen Ring, wenn zudem auch noch \((R, \cdot)\) kommutativ ist. \((\mathbb{Z}, +, \cdot)\) und \((\mathbb{R}, +, \cdot)\) sind Beispiele für kommutative Ringe.
Obwohl wir intuitiv schon in Ringen rechnen können, wollen wir die wichtigsten Rechenregeln im Folgenden kurz herausstellen und zusammenfassen.
Sei \((R, +, \cdot)\) ein Ring. Dann gelten die folgenden Rechenregeln:
Beweis:
Zu 1.:
Für \(a \in R\) gilt wegen \(0 = 0 + 0\) und wegen der Distributivgesetze \(0 \cdot a = (0 + 0) \cdot a = 0 \cdot a + 0 \cdot a\). Indem wir auf beiden Seiten der Gleichung das additive Inverse zu \(0 \cdot a\) addieren, erhalten wir \(0 = 0 \cdot a\).
Völlig analog gilt \(a \cdot 0 = a \cdot (0 + 0) = a \cdot 0 + a \cdot 0\) und daraus folgt durch Addition des inversen Elements \(0 = a \cdot 0\).
Somit folgt insgesamt die Behauptung \(0 \cdot a = 0 = a \cdot 0\) für alle \(a \in R\).
Zu 2.:
Für \(a \in R\) gilt mit dem Distributivgesetz und der ersten Rechenregel: \[(-1) \cdot a + a = (-1) \cdot a + 1 \cdot a\] \[= (-1 + 1) \cdot a\] \[= 0 \cdot a\] \[= 0\] Es ist also \((-1) \cdot a + a = 0\). Weil \((R, +)\) kommutativ ist, gilt ebenfalls \(a + (-1) \cdot a = 0\). Damit ist \((-1) \cdot a\) das eindeutig bestimmte inverse Element zu \(a\) bezüglich \(+\). Dieses hatten wir mit \(-a\) bezeichnet, also gilt \((-1) \cdot a = -a\).
Analog folgt: \[a \cdot (-1) + a = a \cdot (-1) + a \cdot 1\] \[= a \cdot (-1 + 1)\] \[= a \cdot 0\] \[= 0\] und damit ist \(a \cdot (-1) + a = 0\). Aus der Kommutativität von \((R, +)\) folgt wiederum \(a + a \cdot (-1) = 0\) und damit ist \(a \cdot (-1)\) das inverse Element zu \(a\) bezüglich \(+\). Somit folgt \(a \cdot (-1) = -a\) und damit die Behauptung.
Zu 3.:
Für \(a, b \in R\) gilt mit dem Assoziativgesetz und mit der zweiten Rechenregel:
\[(-a) \cdot b = ((-1) \cdot a) \cdot b\]
\[= (-1) \cdot (a \cdot b)\]
\[= -(a \cdot b)\]
Entsprechend folgt:
\[a \cdot (-b) = a \cdot ((-1) \cdot b)\]
\[= a \cdot (b \cdot (-1))\]
\[= (a \cdot b) \cdot (-1)\]
\[= -(a \cdot b)\]
\(\square\)