Am Ende des Softwarelebenszyklus wird die Anwendung außer Betrieb genommen. Diese letzte Phase im Lebenszyklus heißt "Abschaltung" (englisch "Retirement"). Im Rahmen der Bebauungsplanung für die Anwendungslandschaft trifft das IT-Management die Entscheidung, ob und wann eine Anwendung endgültig abgeschaltet wird.
Typische Gründe für eine Abschaltung sind:
Vergleichbar mit der Inbetriebnahme muss auch im Rahmen der Abschaltung nicht nur das System, sondern auch seine technische und organisatorische Umgebung berücksichtigt werden.
In einer IT-Anwendungslandschaft, deren Systeme über technische Schnittstellen miteinander verbunden sind, müssen alle Abhängigkeiten der abzuschaltenden Anwendung identifiziert und aufgelöst werden. Jede aktiv genutzte technische Schnittstelle des Altsystems muss entweder durch ein neues oder bereits bestehendes Alternativsystem abgedeckt werden. Unter Umständen muss dabei jedes System, das mit dem abzuschaltenden System verbunden ist, angepasst werden.
Insbesondere bei langlebigen Systemen mit veralteten Technologien und unvollständigen Dokumentationen ist die Herauslösung eine kritische Aktivität: Zum einen müssen technische Abhängigkeiten identifiziert werden können und zum anderen muss im Fall einer Systemablösung das Systemverhalten an den Schnittstellen nachgebildet werden. Die Grundlage dafür ist die Systemdokumentation. Liegt diese nur unvollständig oder in einer veralteten Version vor, können Abhängigkeiten nur durch probeweises Abschalten identifiziert werden.
Fehlt eine aktuelle Dokumentation über die Implementierung der Funktion innerhalb des abzuschaltenden Systems, muss der Programmcode analysiert und mit den Ergebnissen das Verhalten des Neusystems spezifiziert werden. Dazu sind jedoch Kenntnisse über die im Altsystem eingesetzten Technologien erforderlich. Jedoch ist bei langlebigen Systemen das Risiko hoch, dass die Wissensträger der alten Technologien bereits das Unternehmen verlassen haben.
Werden in dem abzuschaltenden System Daten nicht nur verarbeitet, sondern auch gespeichert, müssen die Daten im Rahmen der Abschaltung migriert werden. Das bedeutet, die im Altsystem vorliegenden Daten müssen für die weitere Verwendung in ein anderes System übertragen werden.
Insbesondere sehr langlebige Systeme werden für die Speicherung und Verwaltung von unternehmenskritischen Daten eingesetzt, zum Beispiel das Bestandssystem von Lebensversicherungen oder das System zur Kontoverwaltung bei Banken. Die Herausforderung bei der Migration von Daten ist zum einen die Abbildung des alten Datenschemas auf das neue Datenschema und zum anderen die Menge der zu migrierenden Daten. So darf es auch bei der Übertragung von mehreren Millionen Vetragsdaten - diese Anzahl ist bei Kranken- oder Lebensversicherungen durchaus üblich - keinen Feler geben. Teilweise ist es dabei für das Unternehmen wirtschaftlicher, alte Verträge aufzulösen oder Kunden durch die Zahlung eines Abschlags auf eine neue Vertragsversion wechseln zu lassen, als die Daten vom Altsystem in ein Neusystem zu migrieren.
Um ein Softwaresystem zu betreiben, muss während des Betriebs eine entsprechende Ausführungsumgebung bereitgestellt und aufrechterhalten werden. Die für das abzuschaltende System benötigte Infrastruktur muss dahingehend analysiert werden, ob laufzeitgebundene Lizenzen und Nutzungsrechte erworben wurden. Oft fallen für den Betrieb bestimmter Hardware oder Betriebssysteme anwendungs- und nutzerabhängige Lizenzkosten an. Entsprechende Verträg müssen gekündigt beziehungsweise dürfen nicht automatisch verlängert werden. Dabei müssen auch Wartungsverträge mit externen Dienstleistern berücksichtigt werden.
Im Rahmen der Abschaltung von Softwaresystemen muss das IT-Management auch dafür sorgen, dass Mitarbeiter, die für Betrieb und Wartung insbesondere von sehr langlebigen Anwendungen zuständig sind, auch nach der Abschaltung weiterbeschäftigt werden können. Insbesondere wenn sich mit der Abschaltung ein Technologiewandel vollzieht und die IT-Infrastruktur zum Beispiel von proprietären Großrechnern auf standardisierte Seversysteme umgestellt wird oder die Programmiersprache von Cobol auf Java oder .NET geändert wird, müssen rechtzeitig Programme zur Weiterqualifizierung der Mitarbeiter konzipiert und umgesetzt werden.