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Organisation von Softwareprojekten

Vom Prozessparadigma zum Softwareprozess

Aufgrund der organisatorischen Komplexität von industriellen Softwareentwicklungsprojekten, die durch die Beteiligung der verschiedenen Rollen sowie der vielfältigen Aktivitäten und deren Abhängigkeiten entsteht, können Softwareprozesse nicht adhoc oder chaotisch organisiert werden. Die folgende Abbildung illustriert den im Folgenden beschriebenen Zusammenhang von Prozessparadigma, Softwareprozessmodell-Rahmenwerk, Individuelles Softwareprozessmodell und Softwareprozess.
Abbildung: Vom Prozessparadigma zum Softwareprozess

Prozessparadigma

Prozessparadigmen sind sehr allgemeine Vorgehensmodelle. Sie geben die grobe Struktur von Softwareprozessen vor, jedoch ohne auf Details einzugehen. Mit dem Prozessparadigma wird das Grundprinzip eines Softwareprozessmodells festgelegt, ohne jedoch auf konkrete Rollen, Zuständigkeiten oder detaillierte Abläufe einzugehen. Beispiele für Prozessparadigmen sind Wasserfallmodell, V-Modell und evolutionäre Entwicklung.

Softwareprozessmodell-Rahmenwerk

Jede IT-Organisation hat in der Regel eigene individuelle Vorgaben und Rahmenbedingungen für die Aktivitäten im Software Engineering. Daher sind bereits erstellte Softwareprozessmodelle nicht vollständig auf andere Organisationen übertragbar, sondern müssen immer angepasst werden. Deshalb wurden als Basis für Gestaltung von organisationsspezifischen Softwareprozessen detaillierte Softwareprozessmodell-Rahmenwerke erstellt. Diese Rahmenwerke dienen als Vorlage bei der Erstellung eines eigenen Softwareprozessmodells. Ein Softwareprozessmodell-Rahmenwerk folgt dabei der in dem Prozessparadigma vorgegebenen Struktur und erweitert diese um detaillierte Beschreibungen zu Rollen, Zuständigkeiten, konkreten Aktivitäten und deren Abhängigkeiten.

Beispiele für Softwareprozessmodell-Rahmenwerke sind V-Modell XT, Rational Unified Process (RUP) und Scrum. Sie sind in der Praxis weit verbreitet. Viele organisationsspezifische Softwareprozessmodelle sind von ihnen abgeleitet und auf individuelle Anforderungen oder konkrete Projekte hin angepasst.

Individuelles Softwareprozessmodell

Um die organisationsspezifischen Besonderheiten in der Softwareentwicklung zu berücksichtigen, werden basierend auf den Vorgaben der Softwareprozessmodell-Rahmenwerke individuelle Softwareprozessmodelle erarbeitet. Anhand dieses individuellen Prozessmodells ist für alle Beteiligten einer Organisation transparent beschrieben, wie ein Entwicklungsprozess ablaufen soll. Ein individuelles Softwareprozessmodell legt unter anderem fest:

Softwareprozess

Ein einzelner Softwareprozess, also ein ganz konkretes Softwareprojekt, ist eine Ausprägung des individuellen Softwareprozessmodells. Zu einem Softwareprozessmodell gibt es damit eine Menge von Softwareprozessen, die nach den Vorgaben und Rahmenbedingungen des Prozessmodells ausgeführt werden. Basierend auf den Vorgaben des Prozessmodells, muss für einen Prozess (ein konkretes Projekt) festgelegt werden:

Hinweis
In der Literatur und in der Praxis werden die Begriffe "Softwareprozess", "Vorgehensmodell", "Prozessmodell", "Prozessparadigma" nicht einheitlich verwendet. Insbesondere die Begriffe "Vorgehensmodell" und "Softwareprozess" werden häufig verwendet, um je nach Situation sowohl Prozessparadigmen, Prozess-Rahmenwerke oder individuelle Prozessmodelle zu bezeichnen.