Stellen Sie sich vor, Sie sind von einem Eisenbahnunternehmen beauftragt worden, den bisherigen Fahrplan so zu verändern, dass das Ziel bei einer bislang vierstündigen Fahrt fünf Minuten schneller als bisher erreicht werden kann, sodass der Anschlusszug ebenfalls 5 Minuten früher starten kann. Was würden Sie verändern?
Sie könnten versuchen, die bisher eingeplanten Zeitpuffer zu reduzieren. Solche Zeitpuffer dienen dazu, die Auswirkungen
unvorhersehbarer Ereignisse (längere Aus- und Umstiegszeiten, kleinere technische Probleme, Warten auf verspätete andere
Züge etc.) abzufedern. Reduziert man die Puffer, erhöht sich folglich die Wahrscheinlichkeit, dass diese unvorhersehbaren
Ereignisse zu spürbaren Problemen führen.
Durch eine Verkürzung der Puffer des ersten Zuges kommt dieser wahrscheinlicher "zu spät", also doch nicht verlässlich
fünf Minuten früher an. Soll der Anschlusszug als Folge der Reduzierung der Puffer ebenfalls fünf Minuten früher
starten, führt dies zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass dieser von Reisenden des ersten Zuges verpasst wird oder
warten muss. Durch das Vorziehen des Folgezuges erhöht sich ggf. zudem die Verkehrsdichte, was die Wahrscheinlichkeit
unvorhersehbarer Ereignisse vergrößern kann. Setzt man dies über weitere Züge fort, ergäben sich negative
verstärkende Effekte. Dadurch würde die Bahn in Summe unzuverlässiger und/oder unpünktlicher sein als zuvor.
Gründe für negative Verstärkungen der Problemursache in Form von Auswirkungen unvorhersehbarer Ereignisse basieren bei diesem Beisiel auf folgenden Aspekten:
In der Unternehmenswirklichkeit gibt es keine einfachen Ursache-Wirkungs-Beziehungen wie in der Theorie. Die Beseitigung eines Problems an Ort und Stelle kann dazu führen, dass man gleich wieder neue Probleme schafft.
Eine Ursache ist dann meist, dass nicht berücksichtigt wurde, dass man es mit einem offenen, dynamischen und komplexen System zu tun hat. Ein System ist ein aus mehreren interagierenden Elementen zusammengesetztes Ganzes, in dem ständige Wechselwirkungen bestehen. Offen bedeutet dabei, dass das System über Beziehungen nach außen verfügt. Dynamisch besagt, dass sich das System mit der Zeit verändert. Komplex steht für ein nicht vollständig überschaubares System.
| Merke |
| Systeme verhalten sich anders als die Summe ihrer Teile, da in einem vernetzten System eine Handlung auch Wirkungen auf andere Elemente hat. |
Eingriffe sollten daher nicht isoliert, sondern möglichst auf Basis einer Gesamtbetrachtung erfolgen. Denn kein Eingriff in ein vernetztes System bleibt ohne Folgewirkung. Im Mittelpunkt steht daher auch, vorherzusagen, wie sich das System verhält, d.h. wie es auf bestimmte Eingriffe reagiert.
Mit der Systemkybernetik, welche sich mit der Regelung und Steuerung dynamischer Systeme beschäftigt, ändert sich auch die Art der Vorhersage. Im Mittelpunkt stehen Wenn-dann-Prognosen, die auf einer Art Systemverträglichkeit beruhen. Die Vorhersage bezieht sich weniger darauf, welche Ereignisse wann eintreten, sondern darauf, wie sich das System verhält und wie es auf bestimmte Eingriffe reagiert.
Eine Nichtberücksichtigung dieser Ein- und Folgewirkungen kann zu einem fehlerhaften Handeln führen.

Diese fünf Fehler haben Auswirkungen, die zu berücksichtigen sind. Ziele sollten nicht nur eindeutig verständlich beschrieben werden, sondern auch im Zusammenhang gesehen werden. Denn die Vernetzung verschiedener Teilsapekte führt dazu, dass die Lösung von Einzelproblemen ein falsches Ziel wäre. Es sollte daher immer zu einer vernetzten Situationsanalyse kommen. Da die Wirkungen meist erst zeitversetzt sichtbar werden, ist nicht vorschnell zu handeln, sodass durch wiederholte Maßnahmen das System übersteuert wird, entsprechend die Wirkungen viel zu stark auftreten und das Systen dadurch negativ beeinflusst würde. Auch die Nichtbetrachtung von Nebenwirkungen kann zu Handlungen mit negativen Auswirkungen führen. Eine Folge könnte sein, dass dies zu nicht mehr rechtzeitig zu korrigierenden Schwerpunkten führt.
Darüber hinaus weisen vernetzte Systeme auch bestimmte Selbstreaktionsweisen auf. Dazu zählen:
Rückkoppelungseffekte entstehen durch Wirkungen, die in einem System ausgelöst werden. Bis zu einem Punkt (Schwellenwert) scheint das System normal zu reagieren, wird aber nicht erkannt, dass fehlerhaft in das System eingegriffen wird, kommt dieses an einen Grenzwert, der den abrupten Zusammenbruch des Systems zur Folge hat. Bis zu einem gewissen Grad kann ein System sich auch selbst regulieren, d. h. sich von außen bei Eingriffen wieder ins Gleichgewicht bringen. Ist dies nicht möglich, kippt es.
Wirtschaften verlangen daher die Beachtung eines vernetzten Systemmodells, das alle Elemente und deren Beziehungen miteinbezieht. Bei der Systemerfassung sollten auch weiche Daten berücksichtigt werden. Weiche Daten sind qualitative Aspekte, die nicht oder nur schwer quantifizierbar sind, beispielsweise Konsens, Attraktivität, Unzufriedenheit, Lebensqualität, Motivation.
Vorhersagen in der Systemkybernetik können mit Wenn-dann-Prognosen getroffen werden. Um Prognosen zu treffen, werden Daten benötigt. Da es in einem offenen System utopisch wäre, alle Einzeldaten erfassen zu können, reicht auch die gezielte Auswahl von Daten aus, um ein Muster der Informationen erkennen zu können. Zur Mustererkennung in der planerischen Praxis gehören zwei Dinge:
Die Erfassung größerer komplexer Systeme wie die eines Unternehmens ist mit einem verpixelten Foto vergleichbar. Auch wenn das Foto nicht klar und scharf ist, kann man erkennen, wer oder was darauf zu sehen ist.
Denn auch größere Systeme haben jeweils ein "Gesicht", und es ist prinzipiell möglich, dieses "Gesicht" ohne Verfälschung zu
erkennen, indem die unübersehbare Zahl der beteiligten Komponenten auf wenige Schlüsselvariablen, gewissermaßen auf die
Knotenpunkte innerhalb und außerhalb des Systems, reduziert wird.

Betrachtet man ein Unternehmen als System, so lassen sich zahlreiche Elemente innerhalb und außerhalb dieses Systems identifizieren. Innerhalb des Unternehmens gibt es u. a. die Beschäftigten, aber auch einzelne Unternehmensabteilungen, die unterschiedliche individuelle Erwartungen und Ansprüche an das Unternehmen haben.
Außerhalb des Unternehmens existieren zahlreiche Elemente aus dem gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen
Unternehmensumfeld, die Einfluss auf ein Unternehmen nehmen.

Die Elemente, die an einem Unternehmen teilhaben oder die mittelbar oder unmittelbar von dessen Entscheidungen bzw. Aktivitäten betroffen sind und von deren Unterstützung der Erfolg des Unternehmens abhängt, werden auch als Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder bezeichnet. Es kann sich hierbei um Personen, Gruppen, Insitutionen oder Organisationen handeln.
Je mehr Erwartungen der einzelnen Stakeholder bei der Zielsammlung eines Unternehmens berücksichtigt werden, desto heterogener und unvereinbarer werden die Zielvorschläge.
Die Erfüllung all dieser Erwartungen ist mit (zusätzlichen) Kosten für das Unternehmen verbunden und steht folglich teilweise im Konflikt mit dem Gewinnziel.